Fleischer-Innung Berlin

Immer dann, wenn es um gute Ernährung geht 

Die Geschichte der Fleischer-Innung in Berlin

Von der Fleischerzunft zur Großstadt-Innung

Das Berliner Fleischerhandwerk kann auf eine lange, sehr wechselvolle Geschichte zurückblicken, die eng mit der Entwicklung von Berlin und Brandenburg verknüpft ist. Als traditionelles Handwerk sind die Berliner Fleischermeister von Anfang an mit der Stadt und dem Land Brandenburg fest verbunden und hatten ihren Anteil an der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung Berlins sowie der gesamten Region.

Mit der Gründung und Entwicklung von Städten machten sich im frühen Mittelalter die ersten Handwerker selbständig, zu denen auch die Fleischer gehörten. Einzelne Handwerker schlossen sich zu einer eigenen Standes- und Interessengemeinschaft zusammen, den Zünften, die auch als Gilden bezeichnet wurden. 
Die Fleischer gehörten im Mittelalter zu den angesehensten und wohlhabendsten Einwohnern Berlins, da Fleisch neben Brot das Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung war. Nach alten Quellen verzehrte jeder Berliner pro Tag und Kopf drei Pfund Fleisch. Ursprünglich führten die Fleischer alle Tätigkeiten selbst aus: Sie kauften Vieh auf, schlachteten es, machten Wurst, verarbeiteten Innereien und gewannen Talg für die Kerzenherstellung. Sie waren Viehhändler, Schlachter, Fleischermeister und Verkäufer in einer Person. Die Versorgung mit Rindern, Kälbern, Schafen, Lämmern und Schweinen, sowie Hühnern, Enten und Gänsen erfolgte häufig aus den umliegenden Dörfern der Städte. 

Das älteste erhaltene Statut der Berliner Fleischer-Innung ist auf den 25. April 1311, dem St. Marcus-Tag, datiert. Darin räumen die ‘erkorenden oldermänner‘ Heinrich Uden und Hans Wieprecht sowie die anderen Ratsherren der Stadt den Knochenhauern und ihren Nachfahren den Besitz der Fleischscharren gegen Zahlung eines vierteljährlichen Erbzinses von sechs Schilling und fünf Pfennig ein. 
„Und wenn sich Jemand in dem Scharren durch Schläge oder Worten vergeht, so soll man das vor die Rathmannen bringen, damit diese das Vergehen bestrafen mögen. Und wenn irgend ein Knochenhauer sich böswillig gegen seine Kumpane zeigt und ihnen widerspenstig ist, so befehlen wir dem an, daß er seinen Scharren innerhalb eines Monats verkaufe.“ (1)

Fleischscharren waren einfache, offene Verkaufsstände der Knochenhauer, wie die Fleischer damals genannt wurden, die aus einem Holztisch oder einem Bretterverschlag bestanden, ähnlich den heutigen Marktbuden auf den Wochenmärkten oder Straßenfesten. Anfangs gab es nur hölzerne Fleischhaken und einen Hackklotz als Einrichtungsgegenstände, später kam eine Waage hinzu. Die Scharrenstraße in Berlin-Mitte erinnert noch heute an die mittelalterlichen Verkaufsstände der Fleischer. 
Die Ausübung des Fleischerberufes war grundsätzlich an den Besitz eines Fleischscharrens gebunden. Nach dem Stadtbuch aus dem Jahre 1397 gab es in Berlin 46 Fleischscharren, die sich auf dem Platz vor dem alten Rathaus an der heutigen Jüden- und Spandauer Straße, unweit der St. Marien-Kirche, befanden. Die Fleischer besorgten den Vieheinkauf, die Zerteilung und den Verkauf des Fleisches, während die Aufgabe des Schlachtens und des Wurstmachens den Kuttlern und Wurstmachern zufiel. Die Verwertung von Fett, Abfällen und Eingeweiden übernahmen Seifensieder und Lichterzieher. Geschlachtet wurde in den Wursthöfen, die auch als Schlachthäuser dienten. Im alten Berlin befand sich der Wursthof in der Heiligengeistgasse. Die Schwesterstadt Cölln hatte nach dem Stadtbuch acht Scharren und einen eigenen Wursthof in der Köllnischen Gasse. Auf den Wursthöfen fand auch die Begutachtung des Schlachtviehes statt.

Die Kuttler durften nicht selber schlachten, sondern nur wenn sie ein Fleischer damit beauftragt hatte. Sie gehörten den Nebenberufen an und waren den Fleischern untergeordnet. Ihnen war zwar der Viehkauf gestattet, allerdings nur im näheren Umkreis der Stadt, den sie zu Fuß erreichen konnten. Die Fleischer, denen die Pferdehaltung gestattet war, ritten in Orte, in denen Viehzucht betrieben wurde und deckten dort ihren Bedarf an Schlachtvieh. 
Da sie regelmäßig über Land ritten, um Vieh einzukaufen, übernahmen sie jahrhundertelang eine weitere wichtige Aufgabe. Sie beförderten Briefe und Nachrichten zwischen den einzelnen Städten. Als 'Metzger- oder Schlächterpost' versahen sie lange Zeit gegen eine geringe Gebühr den Postdienst. Erst 1516 führte Baptist von Thun und Taxis die reguläre Post ein. Das Posthorn in älteren Wappen einiger süddeutscher Zünfte erinnert an diese eigentlich berufsfremde Tätigkeit, die möglicherweise auch von den Fleischern in Berlin ausgeübt wurde. 
Das älteste Siegel des Berliner Schlächtergewerks führt zwei aufrecht stehende, mit der Schneide nach außen gekehrte Beile und die Inschrift 'Sigillum Carnificum in Berlin'. Das Siegel des Cöllner Gewerks, dessen Gilderecht 1331 bestätigt wurde, zeigt ein Beil in schräger Richtung mit der Inschrift 'S der Knakenhawer von Colen'. Bis ins 16. Jahrhundert behielten die Fleischer den Namen Knochenhauer, dann wurden sie als ‘Fleischhauer‘ bezeichnet. Im 17. Jahrhundert bürgerte sich die heutige Bezeichnung ‘Fleischer‘ ein, zwischenzeitlich war für lange Zeit das volkstümliche Wort ‘Schlächter‘ üblich. 

Das Zunftleben

Die Aufnahme in die Zunft der Fleischer war ein erstrebenswertes und lohnendes Ziel, das nur Meistern vorbehalten blieb, die auch in Besitz eines Scharrens waren. Nach dem Tode ging der Scharren gewöhnlich auf den Sohn über oder durch Heirat der Witwe an einen auswärtigen Bewerber. Die Zunft garantierte jedem Mitglied ein sicheres Einkommen und Schutz vor Konkurrenz. Sie half aber auch bei schwierigen Familienangelegenheiten, denn sie war nicht nur der berufliche, sondern auch der gesellschaftliche und religiöse Mittelpunkt ihrer Mitglieder. 
Die wichtigsten offiziellen Zusammenkünfte waren die ‘Morgensprachen‘, die regelmäßig zu Ostern, Johanni, Michaeli und am Heiligen-Dreikönigstag abgehalten wurden. Traditionell wurde morgens, wenn die Sonne aufging, in Deutschland Recht gesprochen. Sämtliche Meister hatten sich in der Zunftstube oder im Zunfthaus zu diesen Versammlungen einzufinden. Nach einem streng festgelegten Ritus wurde jede Versammlung feierlich eröffnet. Auf dem Tisch wurde die Handwerkslade, in der sich Privilegien, verbriefte Rechte, Statuten, Unterlagen und Gelder der Zunft befanden, aufgestellt. Das Öffnen der Lade bei brennenden Kerzen signalisierte den feierlichen Beginn der Zusammenkunft. 
"Niemand durfte, so lange die Lade geöffnet war, sein Haupt bedecken, wie denn jeder Verstoß gegen die gute Sitte, wörtliche und tätliche Beleidigungen, mit 5 Schill. (6 Thlr.) Strafe geahndet wurden, die halb der Stadt, zur anderen Hälfte dem Gewerk zuflossen." (2) 

Wichtigste Beschlüsse der Versammlungen waren die vierteljährliche Vergabe der Scharren unter den Mitgliedern, die Wahl des Zunftvorstandes und die feierliche Aufnahme neuer Meister in den Kreis der Zunft. Wer der Zunft als Jungmeister beitreten wollte, mußte seine makellose Vergangenheit nachweisen. Die Abstimmung über die Aufnahme in den Kreis der Zunft erfolgte bei Meistersöhnen umgehend. Über die Aufnahme eines auswärtigen Meisteranwärters wurde erst nach Ablauf eines halben Jahres entschieden. Während dieser Zeit durfte er nicht bei einem anderen Meister arbeiten, sondern mußte 'sein eigen Brot kauen'. Dies bedeutete, daß er seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln bestreiten mußte. Jedes neu aufgenommene Mitglied wurde anschließend von einem oder zwei Zunftmeistern dem Rat der Stadt vorgestellt. Um das Bürgerrecht zu erlangen, hatte der Anwärter 12 Taler zu zahlen, die gleiche Summe mußte er nochmals an die Zunft entrichten. Überliefert ist der Eid, den die Jungmeister feierlich zu leisten hatten: "Ich soll keine milchende Sau, kein Zehrvieh (abgezehrtes), kein einäugiges, noch keine Vieh mit Nichten nicht verkaufen, das von den armen Leuten oder aus den Hospitälern, oder aus dem Heiligengeiste gekauft ist, und soll auch keinen Unterkauf tun meinen Mitkumpanen. Ich soll und will gehorsam sein dem Rate, getreu und gewärtig, so war mir Gott helfe und seine Heiligen." (3) 

Nach seiner Aufnahme in die Zunft war der Jungmeister verpflichtet, für die anderen Meister ein Festessen zu geben. 
Bei der Auswahl der Lehrlinge und Gesellen wurde ein strenger Maßstab angelegt. Bevor sie angestellt wurden, mußten sie beim Meister ihren Geburtsbrief oder eine andere Legitimation vorlegen, worin eheliche Geburt und Geburtsort bescheinigt waren. Nach der Freisprechung hatten Lehrlinge ihre Lehrbriefe und Gesellen ihre Papiere in der Zunftlade zu hinterlegen. Der Ausschluß von unehelich Geborenen wurde erst 1732 durch das 'Patent über Abstellung der Mißbräuche bei den Handwerkern' aufgehoben. 
In den Zusammenkünften ging es auch um die Umgangsformen innerhalb und außerhalb der Zunft, die Schlachtmengen und die Festlegung der Verkaufspreise, besonders in Not- und Kriegszeiten, sowie die Mitwirkung an öffentlichen Aufgaben, wie dem gemeinsamen Waffendienst zum Schutze der Stadt. Die ‘Morgensprache‘ war Ausdruck der Versammlungsfreiheit der Fleischer, allerdings waren immer zwei Ratsherren bei den Sitzungen zugegen. Über die Einhaltung der Zunftordnung wachten die Zunftmeister, auch Vorsteher oder Oldermänner genannt. Diese Tätigkeit war ein Ehrenamt, für die es nur einen geringen Anteil vom Scharrenzins gab. 

Für den Zunftfrieden war es wichtig, daß kein Mitglied ein anderes übervorteilte. Es galt gegenseitige Konkurrenz auszuschließen, und die Arbeit gerecht unter den Mitgliedern zu verteilen. 
Die Zunft bildete eine große Familie mit sämtlichen Meistern, ihren Familienangehörigen sowie den Gesellen und Lehrlingen, die in den Meisterhäusern wohnten. Die eigene Gerichtsbarkeit sorgte für Disziplin unter den Mitgliedern und versuchte, Streitigkeiten innerhalb der Gemeinschaft zu schlichten. 

Die Fleischbeschau

Neben der täglichen Versorgung der Bevölkerung mit gutem und billigem Fleisch, achteten die Fleischermeister auf die Qualität der Ware. Schon damals waren die Einhaltung der Hygiene und die Begutachtung des Schlachtviehes wichtig. Bei den damaligen hygienischen Verhältnissen keineswegs selbstverständlich, da es weder eine Kanalisation für Abwässer noch eine Müllabfuhr gab. Der Fleischverkauf war nur in den zugelassenen Scharren erlaubt und garantierte so eine ausreichende Kontrolle bezüglich der Güte des Fleisches. 
Die Fleischerordnung von 1591 erlaubte die Viehschlachtung nur in den öffentlichen Schlachthäusern. Ohne Fleischbeschau, der Untersuchung der lebenden und geschlachteten Tiere, durfte nicht geschlachtet werden. 

Fleischbeschauer lassen sich bereits im 14. Jahrhundert nachweisen. Die Kontrolle über die Qualität des Fleisches führten die beiden Altmeister der Zunft gemeinsam mit dem städtischen Marktmeister durch. 
Besonders geachtet wurde auf knotige Veränderungen des Fleisches, der Finnigkeit. Finniges Fleisch wurde nicht für gesundheitsschädlich eingestuft, sondern galt als minderwertige Handelsware, die nicht auf den Fleischscharren verkauft werden durfte. Es mußte an die Kranken- und Armenhäuser abgegeben oder außerhalb der Stadt verkauft werden. Erst Ende des 18. Jahrhunderts führten immer bessere Untersuchungsmethoden zu neuen Erkenntnissen der Fleischhygiene. Neue Richtlinien wurden aufgestellt und Tierärzte untersuchten das Fleisch. Bestimmte, von Erkrankungen befallene Tiere, durften überhaupt nicht mehr verkauft werden. 

Auch die medizinische Forschung trug zur Verbesserung der Fleischhygiene bei:

  • 1855 entdeckte der Arzt Küchenmeister den Zusammenhang zwischen Finnen und Bandwürmern.
  • 1860 wurde die Gesundheitsgefährdung durch die Trichine nachgewiesen.
  • Mit der Entdeckung des Milzbrandbazillus 1849 setzte sich die Erkenntnis durch, daß Infektionen zu vielen Erkrankungen bei Tieren führen. Das Fleisch wurde unter neuen Gesichtspunkten bewertet und als tauglich, bedingt tauglich, minderwertig und untauglich eingestuft.

Stellung der Fleischerzunft im städtischen Leben

Das sogenannte Vierer-Gewerk, bestehend aus Fleischer, Bäcker, Schuh- und Tuchmacher, hatte einen großen Einfluß auf das Gemeinwesen der Stadt. Bereits im 14. Jahrhundert konnten die Zünfte in Berlin eine Beteiligung im Rat der Stadt durchsetzen. Die Altmeister der Zünfte wurden zu den Beratungen des Rates hinzugezogen. Später kontrollierte eine Versammlung die Beschlüsse des Berliner Magistrats, die sich aus bereits ausgeschiedenen Ratsmännern sowie den Vertretern der Vier-Gewerke und denen der übrigen Einwohnerschaft zusammensetzte. Die Altmeister waren besonders erfahrene und angesehene Meister, die von allen Zunftmitgliedern gewählt wurden. Sie führten die Amtsgeschäfte und hatten einen großen Einfluß auf alle Entscheidungen innerhalb der Zunft. Nach ihrer Wahl als Altmeister und Verordnete wurden sie im feierlichen Umzug durch die Stadt geführt, damit sie später gegebenenfalls die Stadtgrenzen bezeugen könnten.

Die umfassenden Vorrechte der Zünfte wurden gegen Ende des Mittelalters durch städtische und später landesfürstliche Verordnungen über den Lebensmittelhandel immer weiter eingeschränkt. Die Fleischerordnung aus dem Jahre 1656 macht den Fleischern die regelmäßige Versorgung der Berliner Bevölkerung zur Pflicht, legte Preise fest und regelte die Verkaufszeiten. "Sollten die Fleischer die Fleisch Tage richtig halten, und Winters Zeit umb 6 Uhr, des Sommers aber umb 5 Uhr in den Schärnen auffwarten: Damit ein jeder Fleisch bekommen, und solches zu rechter Zeit zum Fewer bringen und gaar machen lassen könne." (4) 

Über zu hohe Fleisch- und Wurstpreise wurde schon damals geklagt. Wie gering der Verdienst der Fleischer war, zeigt aber das Ergebnis einer Probeschlachtung, welche 1772 von der königlichen Polizei angeordnet wurde. Von 44 Ochsen, die vom Breslauer Johannismarkt stammten, wurden acht Ochsen unter Aufsicht geschlachtet. Die Prüfung ergab bei einem Durchschnittsgewicht von 525 3/8 Pfund je Ochsen einen Einkaufspreis von 20 Pfennig je Pfund Fleisch. "Hierzu kam dem Fleischer und der Seinigen Unterhalt, an Gesindelohn und Kost, zur Abtragung der bürgerlichen Lasten, an Futter, Hüterlohn usw. laut Beilage auf jedes Pfund 3 Pfennige. Ist also Taxe auf 1 Pfund Rindfleisch 23 Pfennige." (5)

Die behördlichen Vorschriften schränkten zwar den Einfluß der Zünfte ein, aber die Fleischer behielten ihre herausragende Stellung innerhalb der Bürgerschaft. Bei städtischen Festveranstaltungen und besonderen Anlässen standen Fleischer als Repräsentanten der Stadt an der Spitze der vier Gewerke. 

Dieses Vorrecht leitete sich wahrscheinlich aus der Zeit ab, als die Bürgerschaft der Stadt in Kriegs- und Belagerungszeiten auf die Selbstverteidigung angewiesen war. Die Bewohner mußten die Verteidigung der Stadtmauern und die Gegenangriffe auf die Belagerer selbst übernehmen. Als berittene Einheiten waren die Fleischer besonders bei Gegenangriffen von Bedeutung. Die Zünfte mußten sich an der Ausrüstung sowohl persönlich als auch finanziell beteiligen. Jeder junge Fleischermeister war verpflichtet, sich einen eigenen Harnisch, einen eisernen Hut, einen Kragen und einen Brustharnisch anzuschaffen. Später sorgte ein von der Zunft ernannter Harnischmeister für eine einheitliche Ausrüstung der Mitglieder. 
Historisch belegen läßt sich, daß beim Einzug des ersten preußíschen Königs Friedrich I. im Jahre 1701 die Berliner Fleischer auf prächtigen Pferden und mit glänzenden Brustharnischen erschienen.

Noch glanzvoller war der Einzug Friedrich des Großen 1763 nach Beendigung des Siebenjährigen Krieges. Etwa 150 Fleischermeister und -gesellen auf Pferden boten einen imposanten Anblick beim Festumzug und erschienen gleich nach den Mitgliedern des Hofes. "Sie trugen sämtlich braune Röcke mit silbernen Knöpfen und rotseidene Bandschleifen an den Hüten; die der Anführer waren mit silbernen Treffen besetzt, ebenso die Röcke." (6) Trompeter führten den Zug an, gefolgt von den Altmeistern mit der rot- und goldgestickten Standarte der Fleischerzunft.

1709 wurde Berlin-Cölln mit den Vororten Friedrichswerder, Friedrichstadt und Dorotheenstadt zur Haupt- und Residenzstadt vereint. Die vier Schlächtergewerke in Berlin, Cölln, Friedrichstadt und Dorotheen-Stadt behielten allerdings ihre Selbständigkeit. Jeder Meister, der ein neues Geschäft eröffnen wollte, mußte der örtlichen Innung beitreten. Erst im Jahre 1713 vereinigten sich die vier Gewerke unter dem Namen 'kombiniertes Schlächter-Gewerk'. Der endgültige Zusammenschluß der Berliner Schlächtervereinigungen erfolgte erst 1859, weil jedes Gewerk seine finanzielle Unabhängigkeit bewahren wollte. Friedrich der Große hatte einst allen vier Fleischergewerken umfangreiche Weideplätze vor den Toren der Stadt zur Versorgung der Bevölkerung überlassen, die später zu wertvollem Bauland innerhalb der Stadt wurden. 
1733 erhielt das 'kombinierte Schlächter-Gewerk' von König Friedrich Wilhelm I. die Order am heutigen Mehringplatz, dem ehemaligen Rondel am Ende der Friedrichstraße, ein Haus zu bauen. Der König verschenkte freie Grundstücke und befahl die Bebauung, um die Friedrichstadt in kurzer Zeit fertigzustellen.

Doch das Haus erwies sich als finanzielle Last für das 'kombinierte Schlächter-Gewerk'. Für jedes erworbene Schlachtvieh mußten die Fleischermeister einen bestimmten Betrag in die Baukasse zahlen, doch die Summe reichte nicht aus. Zusätzlich nahm das 'kombinierte Schlächter-Gewerk' eine Hypothek von 3000 Talern auf. Das Gewerkshaus, das den Namen ‘Zum Ochsenkopf‘ erhielt, diente zwischenzeitlich als Lazarett sowie als Arbeitshaus für Bettler und Obdachlose. Später wurde es an einen Rittmeister vermietet und schließlich 1757 verkauft.

Mit dem 'Generalprivilegium' von 1734 änderte Friedrich Wilhelm I. die alte Zunftordnung. Die Meisterprüfung wurde wesentlich vereinfacht, die Aufnahmegebühr für die Zunft gesenkt, das Meisteressen abgeschafft sowie Meistersöhne und Fremde gleich behandelt. Von Lehrlingen wurden Kenntnisse in Rechnen, Deutsch und Katechismus verlangt. Das Privilegium senkte das Lehrgeld und ermöglichte Waisenkindern eine unentgeltliche Lehrzeit. Am Ende der Lehrzeit war ein Lehrbrief auszustellen. 
Die Bestimmungen über die Rechte und Pflichten der Gesellen waren in dem Privilegium streng geregelt. Die drei Wanderjahre der Gesellen wurden auf ein Jahr herabgesetzt. Die Gesellen konnten zwei Altgesellen als Sprecher bei den Zunftversammlungen bestimmen. Jede Verbindung zu auswärtigen Zünften und Gesellenvereinigungen war ihnen jedoch verboten. Den bis dahin arbeitsfreien 'Blauen Montag' der Gesellen ließ er durch eine Verordnung abschaffen. 

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war es um die wirtschaftliche Situation in Berlin nicht zum Besten bestellt. Im Jahre 1800 wurden drei neue Meister in die Zunft aufgenommen und 1803 war es sogar nur ein einziger.

Die Besetzung Berlins 1807 durch die französische Armee nach dem deutsch-französischen Krieg erlegte den Fleischern neue finanzielle Bürden auf. Das von Napoleon eingesetzte 'Comité administrativ' forderte von der Berliner Stadtverwaltung eine 'Kontribution' von einer Million Talern. Der Magistrat sah sich gezwungen, einen Teil des Betrages auf die einzelnen Berufsstände umzulegen. Die Fleischerzunft sollte die Summe von 16 000 Talern aufbringen und rangierte damit gleich hinter dem Betrag, den die Kaufmannsschaft zu zahlen hatte. Dabei hatten die Mitglieder außerdem noch die Last der Einquartierung zu tragen, und zusätzlich eine Kriegssteuer als Grundbesitzer zu leisten. Die meisten Fleischermeister waren auch Hausbesitzer. Erst im Jahre 1808 war die Gesamtsumme durch Aufnahme von Darlehen abbezahlt. Die aufgenommenen Schulden wurden durch eine besondere Abgabe für jedes geschlachtete Stück Vieh getilgt. Für einen Ochsen oder eine Kuh war 1 Taler zu zahlen, für ein Schwein 10 Silbergroschen und für ein Kalb oder Hammel 3 Silbergroschen. 
Während der Befreiungskriege spendete das 'kombinierte Schlächter-Gewerk' im Jahre 1813 nach dem berühmten 'Aufruf an mein Volk' des Königs Friedrich Wilhelm III. 1000 Taler für die Einkleidung freiwilliger Jäger. Ein Jahr später, als der König mit den siegreichen Truppen in Berlin einzog, stiftete das Gewerk nochmals 500 Taler. Zusätzlich sammelten die Fleischer mehrere Wagenladungen mit Speck und Wurst für die Truppenverpflegung in Spandau. Dabei hatte sich die Geschäftslage der Fleischer gerade durch den sinkenden Fleischkonsum deutlich verschlechtert. Die Kriegslasten und die steigenden steuerlichen Abgaben zwangen die Berliner Bevölkerung nicht zum letzten Mal in der Geschichte, den Gürtel enger zu schnallen. 

Neuorientierung der Innungen

Mit Einführung der Gewerbefreiheit im Jahre 1810/11 in Preußen durch den Staatsminister Hardenberg wurde der Zunftzwang bei den Fleischern und allen anderen Handwerksberufen aufgehoben. Die Berufsausübung war nicht mehr von der Zugehörigkeit zur Innung abhängig, sondern von dem Erwerb eines Gewerbescheins. Der Antragsteller mußte allerdings im Besitz des Bürgerrechts sein. Auch die Zunftmitglieder waren verpflichtet, einen Gewerbeschein für eine Gebühr von drei Talern bei den staatlichen Behörden zu beantragen. Neu war auch, daß sich Handwerker jetzt ohne Einschränkungen auf dem Land niederlassen konnten, damit war die strikte Trennung zwischen Stadt und Land endgültig aufgehoben. 
Die Innungen lehnten natürlich die neuen Gesetze ab. Sie befürchteten, daß sich in der Stadt eine unkontrollierte Anzahl von Konkurrenten ansiedeln könnte, die nicht über die fachliche Fertigkeit eines Meisters verfügte. Auch die fachliche Ausbildung der Lehrlinge war durch die neue Gesetzgebung nicht mehr sichergestellt. Doch es gab nur wenige Fleischer, die sich in Berlin niederließen. In den Jahren 1816/17 siedelten sich nur 13 unzünftige Fleischer in der Stadt an. Eine ernstzunehmende Konkurrenz erwuchs den Berliner Fleischermeistern allerdings aus den sogenannten Rucksackfleischern, die im Umland ein Schwein aufkauften, es schlachteten und das Fleisch in der Stadt verkauften. 

Viel tiefgreifender und einschneidender für das Fleischergewerbe war der Wandel, der in den folgenden Jahrzehnten durch den technischen Fortschritt und durch den Ausbau des Eisenbahnnetzes ausgelöst wurde. 

Die Berliner Fleischer-Innung bestand trotz der Einführung der Gewerbefreiheit weiterhin fort. Sie behielt ihren Einfluß auf das Gewerbeleben der Stadt, da die Innungen in ihren Bestrebungen vom Berliner Magistrat unterstützt wurden. Doch erst 1845 erließ die preußische Regierung eine neue Gewerbeordnung, die den Innungen die Ausbildung der Lehrlinge und die Kontrolle der Gesellen, die Verwaltung der Sterbe- und Hilfs-Sparkassen sowie die Fürsorge für Witwen und Waisen verstorbener Meister garantierte. Das Nachtragsgesetz zur Gewerbeordnung im Jahre 1849 führte auch wieder Regelungen für die Meisterprüfung ein. Für den Erwerb des Meistertitels war ein Mindestalter von 24 Jahren vorgeschrieben sowie eine dreijährige Anstellung als Geselle. Die Meister- und Gesellenprüfung mußte entweder von der Innung oder von einer Kreis-Prüfungskommission abgenommen werden. Der Fortbestand der Innungen wurde allerdings erst im Jahre 1869 durch die Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes wieder gesetzlich verankert. Die Gewerbeordnung, die durch spätere Reichsgesetze ergänzt wurde, erhob die Innungen zu 'öffentliche Korporationen' ausgestattet mit dem Recht einer 'juristischen Person'. Vom Gesetzgeber wurden ihr neben der Ausbildung der Lehrlinge und der Kontrolle der Gesellen, die Fürsorge notleidender Innungsmitglieder sowie die Bildung eines Schiedsgerichtes übertragen.

Mit der gesetzlichen Verankerung dieser Aufgaben wurden alle Innungen als Berufsorganisationen des Handwerks anerkannt. Zur Ausübung des Berufes war allerdings eine Pflichtmitgliedschaft in der Innung nicht mehr vorgeschrieben. 
Zu den Aufgaben der Fleischer-Innung gehörte auch die Einrichtung von Herbergen für Gesellen. Bereits 1796 wurde eine Herberge in der Mauerstraße eröffnet, die aber bald nicht mehr ausreichte. 1842 wurde sie in die Alte Jakobstraße verlegt. Pächter war der Gastwirt Krause, der nebenbei einen kleinen Darmhandel betrieb. Der Gastwirt gilt als der erste Händler in Berlin, der Därme für die Wurstherstellung verkaufte. Später entwickelte sich Berlin zu einem der größten Märkte für den Darmhandel in Deutschland.

Das es in den Herbergen manchmal sehr undiszipliniert zuging, und die Gesellen auch dem Glücksspiel nicht abgeneigt waren, geht aus einer Verfügung des Magistrats aus dem Jahre 1846 hervor: Die Kartenspiele mit einem Einsatz von fünf Silbergroschen wurden den Gesellen ausdrücklich verboten. Von 1847 befand sich die Herberge in der Sophienstraße 34, von 1849 in der Neuen Grünstraße 28, danach in der Mulackstraße 3. 

Auf dem Grundstück in der Neuen Grünstraße entstand später das Innungshaus, das am 6. Oktober 1897 mit einem Festakt feierlich eingeweiht wurde. Das Innungshaus war stadtbekannt unter dem Namen ‘Bismarck-Säle‘. Die Berliner Fleischerinnung ehrte damit den früheren Reichskanzler Fürst Bismarck, den bereits zwei Jahre zuvor die Innungsversammlung zum Ehrenmitglied ernannt hatte. Das Innungshaus wurde im Zweiten Weltkrieg bei einem Bombenangriff der Alliierten völlig zerstört. 

Am 1. Mai 1900 konstituierten sich die Berliner Fleischer aufgrund der neuen Gesetzgebung fast einstimmig als ‘Freie Innung‘. Damit war sichergestellt, daß es im Gegensatz zu den Zwangsinnungen keine Pflichtmitgliedschaft gab. Der Berliner Fleischer-Innung gehörten nur freiwillige Mitglieder an, so blieb sie eine solidarische Gemeinschaft, die engagiert für ihre beruflichen Belange eintrat. 

Verbesserung der hygienischen Zustände

In der Mitte des vorherigen Jahrhunderts wurde aus der preußischen Provinzstadt eine Großstadt. Die städtischen Behörden standen vor enormen Aufgaben: Es mangelte an Wasserversorgung, Kanalisation, Badeanstalten und Desinfektionsanstalten. Die hygienischen Zustände hatten sich seit Jahrhunderten nicht wesentlich verändert. Die besseren Gegenden der Stadt machten da keine Ausnahme, wie ein zeitgenössischer Schriftsteller über die Leipziger Straße zu berichten wußte. "Das Haus Nr. 128 gehörte nämlich einem Schlächter, der, wie damals alle Schlächter, in seinem Hause schlachtete. Und da er eine sehr große und wohlhabende Kundschaft hatte, so schlachtete er wöchentlich mehrere Mal, und dann lief wöchentlich mehrere Male das dampfende, weil mit heißem Wasser vermischte Blut durch des Hauses Abflußkanal in den Straßenrinnstein, in dem es dampfend nach beiden Seiten abfloß und sich erst nach je 15 bis 20 Metern im Schmutz des Rinnsteins verlief. Im Hause aber stank es unerträglich." (7) 

Im Winter färbte sich der Schnee in der Nähe der Schlächtereien blutrot, und der Schmutz blieb so lange liegen bis er weggetaut war. 
Erst die große Cholera-Epidemie im Jahre 1886 veranlaßte den Berliner Magistrat zum Handeln. Endlich sorgte die Stadtverwaltung für die Einführung der Kanalisation, damit das Abwasser nicht länger in den Rinnstein floß, sondern durch unterirdische Kanäle auf die Rieselfelder am Stadtrand gelangte. 

Berliner Initiative führt zur Gründung des Deutschen Fleischer-Verbandes

Nach der Reichsgründung im Jahre 1871 strömten immer mehr junge arbeitssuchende Menschen in die neue Reichshauptstadt. Berlin entwickelte sich zur Großstadtmetropole und zum größten Industriestandort in Mitteleuropa. Die Stadt zählte fast eine Million Einwohner, und der Bedarf an Fleisch- und Wurstwaren stieg. 1875 gab es bereits 1177 selbständige Fleischermeister. Nicht alle jungen Fleischermeister, die sich in Berlin ansiedelten, wollten sich der Innung anschließen oder hatten die dafür notwendige Meisterprüfung abgelegt.

Am ersten Stiftungsfest des 'Vereins der selbständigen Schlächter Berlins' nahmen mehr als 20 Innungen aus ganz Deutschland teil, darunter aus Stettin, Hamburg, Bremen, Würzburg und Hannover. Bei einer Aussprache wurde starkes Interesse an einer Organisation der Fleischer für ganz Deutschland bekundet. Bisher konnten die einzelnen Innungen nur örtlich aktiv werden, aber die Reichsgründung machte eine überregionale Interessenvertretung notwendig. Die anwesenden Berliner wurden aufgefordert, die Initiative zur Gründung eines Gesamtverbandes zu ergreifen. Zwei öffentliche Bekanntmachungen in der 'Allgemeinen Schlächter-Zeitung' luden zu einer Vorversammlung nach Görlitz ein, um die Verbandsgründung vorzubereiten. Zu den Unterzeichnern der Aufrufe gehörten August Wendt, der Vorsitzende des ‘Vereins der selbständigen Schlächter Berlins‘, und sein Stellvertreter Paul Burg, der später wegen seiner zahlreichen Verdienste für das Fleischerhandwerk zum Ehrenmitglied des Verbandes ernannt wurde.

Nach einem zweiten Vorbereitungstreffen in Dresden fand vom 23. bis 24. September 1875 in Gotha der erste 'Allgemeine Deutsche Fleischer-Congreß' statt. Anwesend waren 190 Delegierte aus 80 Städten und 120 Gäste. Auf dem Kongreß wurde der Antrag gestellt, einen deutschen Fleischerverband zu gründen. Diesen Antrag unterstützte auch Fleischermeister Oppen aus Berlin, dessen Nachfahren noch heute eine Fleischerei in Weißensee betreiben. Der Beschluß wurde von der Versammlung einstimmig angenommen. Auf Vorschlag von Fleischermeister Oppen wurde Gustav Lüdtke aus Torney bei Stettin zum vorläufigen Vorsitzenden gewählt. Ein Jahr später, auf dem Verbandstag in Nürnberg, wählte die Versammlung Gustav Lüdtke zum ersten Verbandspräsidenten, und die neugegründete Dachorganisation des Fleischergewerbes erhielt den Namen 'Deutscher Fleischer-Verband'.

1886 gehörten dem Verband bereits 495 Innungen mit 12.500 Mitgliedern an. Der Verband wurde in 20 Bezirksvereine unterteilt, während Berlin und drei weitere große Innungen selbständig ohne Bezirksverband blieben. 

Die wichtigen Impulse zur Gründung einer Interessenvertretung des deutschen Fleischergewerbes kamen aus Berlin; dennoch ist Berlin nie Sitz des Deutschen Fleischer-Verbandes. Es herrschte sogar einige Jahre eine Verbandsverdrossenheit, die Berliner Fleischer-Innung schied 1910 für einige Jahre aus dem Verband aus. 
Der neugegründete Verband setzte sich erfolgreich für die Belange des Fleischerhandwerks in ganz Deutschland ein. Er engagierte sich bei den wichtigsten öffentlichen Debatten zum Ladenschluß, zur Kinderarbeit, zur Sonntagsbeschäftigung von Lehrlingen und zur Regelung der Wettbewerbsverhältnisse. Eine wesentliche Aufgabe war die Förderung der sozialen Belange. Der Verband nahm Einfluß auf die Gründung einer eigenen Berufsgenossenschaft im Jahre 1896 und förderte die Gründung von regionalen Innungskrankenkassen und Wohlfahrtseinrichtungen. 

Gesellen und Verkäuferinnen

In den sogenannten Gründerjahren nahm die Kundschaft in den Berliner Fleischerläden durch das schnelle Anwachsen der Bevölkerung immer mehr zu. Die Frau des Meisters, die hinter der Ladentheke stand, konnte den Ansturm der Kundschaft allein nicht mehr bewältigen. Für den Verkauf kamen die Gesellen aber kaum in Frage. Neben der Fleischbearbeitung und Wurstherstellung mußten sie ‘auf Kundschaft gehen‘, was bedeutete, daß sie die bestellten Waren an die Kunden austrugen. 
Das Verhältnis zwischen Meistern und Gesellen war damals viel strenger als heute und brachte es mit sich, daß jeder Geselle von seinem Meister mit 'Du' angeredet wurde. Deshalb wandte sich 1867 der Altgeselle und spätere Obermeister Moritz Schmidt an den Vorstand der Berliner Fleischer-Innung, um als Anrede für die Gesellen das 'Sie' durchzusetzen. Aber nicht nur die Meister waren dagegen, sondern auch ältere Gesellen. "Ich bin stolz, daß mein Lehrmeister noch heute das 'Du' für würdig hält, wäre ich dessen nicht wert - dann würde er mich mit 'Sie' anreden" (8), erklärte ein Geselle.

Vertretungen der Gesellen wurden erst 1893 mit dem 'Fachverein für Schlächtergesellen und Mamsells' und 1898 mit dem 'Lokalverein der Schlächtergesellen Berlins' gegründet. Der 'Deutsche Fleischergesellenbund‘ gründete sich 1911. Später schrieb die Gewerbeordnung in Deutschland für jede Innung einen Gesellenausschuß vor, dem auch Gesellenvertreter angehörten. Der Ausschuß hatte ein Mitspracherecht bei allen Innungseinrichtungen, die insbesondere die Gesellen betrafen, aber auch bei denen, die nicht ausschließlich für die Meister bestimmt waren. 

Als Verkaufskräfte für den Laden wurden Dienstmädchen und Hausangestellte beschäftigt, die in großer Zahl nach Berlin kamen. Anfangs betrug ihre Ausbildungszeit nur sechs Monate. Die Tätigkeit als Verkäuferin im Fleischergewerbe wurde erst viel später ein richtiger Ausbildungsberuf. Als Nachweis über Beschäftigungszeiten, Leistungen und Führung führte die Innung ab 1877 ein Attestbuch ein, das den Dienstbüchern des Hauspersonals entsprach. Der fachliche Nachweis sollte vermeiden, daß sich ungelernte Kräfte in den Beruf drängten. Die Attestbücher wurden 1907 wieder abgeschafft. Sie waren die Vorläufer der 1925 eingeführten Verbands-Ausweisbücher und der späteren Arbeitsbücher für Verkäuferinnen. 

Moderne Technik im Fleischerhandwerk

Der technische Fortschritt und die Erfindung immer neuer Maschinen ließ nicht nur große Industriebetriebe entstehen, sondern wirkte sich auch zunehmend auf das Fleischerhandwerk aus. Wieg-, Hack-, Meng- und Wurstfüllmaschinen wurden entwickelt. Besonders der Kutter erleichterte die Arbeit. Er sorgte für die Feinstzerkleinerung von Fleisch und Innereien. Nur wer über genügend Kapital verfügte, konnte sich die neuesten Maschinen anschaffen. Um 1880 entstand durch die wachsende Einwohnerzahl Berlins ein immer größerer Bedarf an günstigen Wurstwaren. Einzelne Fleischermeister gingen dazu über, ihre Produktionsanlagen zu erweitern und neue Arbeitskräfte einzustellen. Aus kleinen Fleischereien entstanden die ersten Fleischwarenfabriken, die vor allem Frischwurst, aber auch Dauerwurst und Schinken produzierten. Die Betriebe lagen meistens in bevölkerungsreichen Wohnvierteln. Sie verkauften ihre Produkte im eigenen Geschäft oder an andere Fleischereibetriebe, Lebensmittelläden und Gasthäuser. Ermöglicht wurde diese Entwicklung nicht nur durch verbesserte Fleischereimaschinen, sondern auch durch eine längere Lagerfähigkeit der Ware. 

Vor der Erfindung der Kühlmaschinen bereitete die Kühlung der Ware in den Sommermonaten erhebliche Probleme. Eine langfristige Lagerhaltung war kaum möglich. Die Fleischerläden hatten im Keller für die Kühlung einen riesigen Eiskasten aufgestellt, in dem zwischen zwei Eisschichten das Fleisch gelagert wurde. Das Eis kam aus den Seen in der Umgebung Berlins. Im Februar sägten dort Eispächter große Blöcke aus der Eisdecke und bewahrten sie in Eismieten auf, die mit Erde und Moos bedeckt waren. Der Eisvorrat mußte schließlich bis zum nächsten Winter reichen.

1877 präsentierte eine Eisfabrik aus der Manteuffelstraße als ihr erstes Produkt auf einer Innungsveranstaltung eine Platte ‘künstlichen Eises‘, die wegen ihrer Vorteile gegenüber dem Natureis für die Fleischermeister von besonderem Interesse war. 
Es dauerte nicht lange, bis weitere Eisfabriken entstanden, die für eine ganzjährige Belieferung mit keimfreiem Eis sorgten. Die Berliner Fleischer-Innung beteiligte sich damals an einer Kunsteisfabrik in Hohenschönhausen, um die Versorgung der Innungsmitglieder mit Kunsteis zu garantieren. Ein zuverlässige Kühlung des Fleisches war aber erst seit der Erfindung der Kühlmaschine im Jahre 1903 durch Dr. Linde möglich. Angetrieben wurden die ersten Kühlmaschinen noch mit großen Schwungrädern und riesigen Kolben. 

Wochenmärkte und Markthallen

Mit der Eröffnung der Zentralmarkthalle am Alexanderplatz und drei kleineren Markthallen für den Einzelhandel am 3. Mai 1886 wurde die Versorgung der Stadt mit frischen Lebensmitteln vollkommen neu organisiert. Bis 1892 entstanden im gesamten Berliner Stadtgebiet weitere elf Markthallen für den Einzelhandel. Gleichzeitig wurden alle Wochenmärkte geschlossen, da dort die hygienischen Verhältnisse nicht mehr tragbar waren. Der größte und beliebteste Berliner Wochenmarkt befand sich auf dem Dönhoffplatz. Insgesamt zählte eine Statistik aus dem Jahre 1864 auf den Wochenmärkten 719 Marktstände von Fleischern, davon allein 224 auf dem Dönhoffplatz. 

Weitere Märkte gab es auf dem Molkenmarkt, dem Gendarmenmarkt, dem Alexanderplatz und dem Neuen Markt. Der letzte Wochenmarkt im Berliner Stadtgebiet, der sich auf dem Nettelbeckplatz befand, wurde 1892 mit der Eröffnung der Weddinger Markthalle geschlossen. Einige der Markthallen wurden auf den alten Marktplätzen errichtet wie auf dem Lützowplatz in Charlottenburg, auf dem Arminiusplatz in Moabit und auf dem Marheinickeplatz in Kreuzberg. Andere Hallen wurden zwischen zwei Parallelstraßen erbaut wie in der Mauerstraße, der Lindenstraße, der Dresdener Straße und in der Ackerstraße. Der Umzug von den offenen Märkten in die Markthallen war den meisten Fleischern am Anfang nicht recht, da sie in den Markthallen erheblich höhere Standmieten zu zahlen hatten. Die Markthallen hatten aber erhebliche Vorteile: Die Fleisch- und Geflügelstände lagen meistens an den Außenmauern, wo eine bessere Präsentation der Ware möglich war. An den Stahlvorrichtungen konnten Haken für die schweren Rinderviertel und Schweinehälften befestigt werden. Die Stände ließen sich besser reinigen und die Ware konnte in den Kühlräumen im Kellergeschoß gelagert werden. Kundenfreundlicher präsentierten sich die Markthallen allemal. Sie boten Schutz vor Wind und Regen, der Einkauf war jetzt an jedem Wochentag möglich, und die Öffnungszeiten wurden auf die Nachmittage ausgedehnt.

Die Wochenmärkte verschwanden dennoch nicht vollständig aus dem Stadtbild, denn sie waren bei den Berlinern wegen der günstigen Einkaufsmöglichkeiten weiterhin sehr beliebt. In Charlottenburg, Wilmersdorf, Schöneberg und den anderen Vororten blieben die Wochenmärkte bestehen. Neue Märkte entstanden an der Stadtgrenze, wie am Neuköllner Maybachufer, die vor allem von der Berliner Bevölkerung besucht wurden. Fleischern, die von außerhalb Berlins kamen und sich mit wenig Kapital selbständig machen wollten, boten die Märkte und Markthallen hierfür die besten Möglichkeiten. Unter den Berliner Fleischereibetrieben gehörte eine große Anzahl den Markt- und Hallenfleischern an, die ihr Geschäft allein ohne Gesellen und Lehrlinge betrieben.

1871 gab es in Berlin 1004 selbständige Fleischermeister mit 823 Gesellen. 1882 waren es bereits 1522 Fleischereibetriebe, die aber nur 857 Gesellen beschäftigten. In den nächsten Jahren sank sogar die Zahl der beschäftigten Gesellen, dagegen wuchs die Zahl der selbständigen Fleischer beträchtlich. 1895 gab es bereits 2486 selbständige Betriebe, aber nur 810 Gesellen. Mit der Zunahme der Bevölkerung stieg also auch die Anzahl der Betriebe, um den wachsenden Bedarf an Fleisch- und Wurstwaren zu decken. 1880 zählte die Stadt bereits über eine Million Einwohner. Der Fleischverbrauch in Berlin war erheblich höher als in anderen deutschen Großstädten; nur in München war er annähernd genauso hoch. 1885 betrug er in Berlin und Umgebung ungefähr 76 kg pro Kopf und Jahr. Bis 1888 stieg er auf 85,1 kg und sank dann 1895 wieder ab auf 73,5 kg. Anzumerken ist, daß damals im Gegensatz zu heute zum Fleischverbrauch auch Innereien, Knochen, Sehnen und minderwertige Teile dazugerechnet wurden.

Die Einrichtung der Zentralmarkthalle mit eigenem Gleisanschluß am Alexanderplatz belebte den Großhandel. Gefrorene Fleischimporte kamen sogar aus Argentinien, Neuseeland und Australien nach Berlin. Der Großhandel mit Fleisch nahm in kurzer Zeit so zu, daß bereits 1893 ein Erweiterungsbau eröffnet wurde, der ausschließlich dem Großhandel diente. Allmorgendlich wurden immer größere Warenmengen vom städtischen Schlachthof angeliefert, und das Angebot an Fleischwaren in der Zentralmarkthalle nahm ständig zu. 1901 mußten drei zusätzliche Stadtbahnbögen zwischen den Bahnhöfen Alexanderplatz und Börse in der Dircksenstraße für den Fleischgroßmarkt angemietet werden. Alle Fleischhändler zusammen waren längst nicht mehr in den Hallen unterzubringen. Eine Verlegung des Fleischgroßmarktes wurde gefordert. Doch es sollte noch bis zum Jahre 1925 dauern, bis die erste Fleischgroßmarkthalle an der Landsberger Allee direkt neben dem städtischen Vieh- und Schlachthof eröffnet werden konnte.

(1) Ferdinand Meyer, Die Knokenhouwer Berlins, Separat-Abdruck aus der 'Deutschen Fleischer-Zeitung', o. J., S. 6 
(2) Ferdinand Meyer a. a. O., S. 9 
(3) Ferdinand Meyer a. a. O., S. 10 
(4) Ferdinand Meyer a. a. O., S. 27 
(5) Paul Burg: Denkschrift zur 600 Jahrfeier der Fleischer-Innung der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Berlin, 1911, S. 7 
(6) Ferdinand Meyer a. a. O., S. 16 
(7) Paul Koslowsky, Vom Knokenhouwer-Gewerk zur Fleischerinnung Berlin, Manuskript, o. J., o. S. 
(8) Paul Burg a.a.O., S. 29
 

Der Sitz der Fleischer-Innung Berlin ist heute auf dem Berliner Großmarkt an der Beusselstraße - also mitten im Leben.